Der „kleine Pilgerbruder“ und die Hoffnung
Ferdinand Ulrich ist heute vor fünf Jahren zum Vater im Himmel gegangen. Er ist zu dem heim gegangen, an den er geglaubt hat, den er mit seinem Leben bezeugt hat und für den er vielen Menschen geholfen hat, ihn zu finden oder tiefer mit ihm vertraut zu werden. Wenn der „Herr Professor“, wie ich ihn seit unserer ersten Bekanntschaft in den achtziger Jahren genannt habe, einen Brief geschrieben hat, dann hat er diesen am Ende zumeist unterzeichnet mit „Ihr kleiner Pilgerbruder von Jesus“. Ferdinand Ulrich war ein Pilger auf dem Weg nach Hause, ein „Pilger der Hoffnung“ – nach dem Leitwort, unter das Papst Franziskus dieses Heilige Jahr 2025 gestellt hat.
Eines seiner kleineren Bücher hat den Titel: „Der Mensch als Anfang – Zur philosophischen Anthropologie der Kindheit“ (Einsiedeln 1970). Kindheit und Kindsein waren ihm immer wieder zentrale Themen, um den Menschen selbst tiefer zu verstehen, und um das menschliche Dasein aufzuzeigen als das eigentliche „Thema“ einer Welt, die Gott aus Liebe geschaffen hat. Und gläubiges, gelassenes Selbstsein, das aus der Hoffnung lebt, lässt sich besonders am Kind verstehen. Ein Beispiel dafür sind die folgenden Zeilen Ulrichs aus dem genannten Buch (S. 149): „In der Hoffnung läßt es [das Kind] sich selbst und die Dinge los. Es schläft, weil es darauf vertraut, daß der Morgen das Losgelassene wiederbringen wird, sicher reicher, schöner als es verlassen worden ist. Das Kind hofft, weil es nicht nach dem Morgen süchtig ist, sondern die Verheißung als erfüllte Gegenwart glaubt, die ihm vereignet, sein Leben geworden ist. Das Kind hofft im Warten, nicht im ‚Zugriff‘, der räuberisch das ‚unsichere Morgen‘ in die Vergangenheit befördert, weil er nicht wahrhaben will, daß es ‚der Herr den Seinen im Schlaf gibt.‘“
Und über die Mutter des Herrn sagt Ulrich (ebd., S. 152) im Blick auf die Kindheit und ihre Hoffnung: „Das Kind vergißt, weil es schläft und es schläft, weil es hofft. Es lebt aus dem immer jungen Anfang, der reich und arm ist. Denn Gott hat alles in ihn hineingelegt, was er zu schenken hat. Und so gebiert die reiche Armut der endlichen Freiheit, der die absolute Gabe geschenkt ist, Gott selbst in der Welt und für die Welt. Aber sie verdankt das Empfangene als armer Reichtum und gibt entblößt und ledig Gottes Zukunft frei. Sie fixiert das Wort Gottes nicht als Nur-Mutter im Zustand er Infantilität. Sie dient dem ‚Vollalter‘ dessen, den sie empfangen hat. Die Virgo-Mater ist das endliche, geschaffene ‚Kind Gottes‘, ‚spes nostra‘, das heile Menschen-kind, die freie Schöpfung.“
Fünf Jahre nach seinem Tod denken wir voller Dankbarkeit im Gebet auch an Ferdinand Ulrich, der in so tiefer Weise dem Geheimnis des Menschseins und des Kindseins vor Gott auf der Spur war. Auf dass er sich nun selbst als Kind Gottes aufgehoben wissen darf beim großen Familienfest des Vaters, zu dem er als Pilger der Hoffnung unterwegs war und der alle seine Kinder dort erwartet. R.I.P.
11. Februar 2025
am Gedenktag Unserer lieben Frau in Lourdes
Bischof Dr. Stefan Oster SDB

Quelle: Digitales Archiv im Ferdinand-Ulrich-Archiv (links: Kindheit in Fulnek/Maria Schnee, rechts: Ulrich bei späterem Besuch)