Wort und Schweigen

|
Aktuelles | Andrea Schwemmer

Neu im Repertorium: Ein Vortragsmanuskript von Ferdinand Ulrich mit dem Titel „Wort und Schweigen“. Darin denkt Ulrich tief über das Zusammenspiel von Schweigen und Sprechen nach. Warum gehört beides zusammen? Und welche Bedeutung hat das Schweigen für das Sprechen?

Der heilige Josef, dessen Fest die Kirche heute feiert, wird oft als „der Schweigende“ bezeichnet, denn von ihm ist kein einziges Wort im Evangelium überliefert. Aus den Texten wird jedoch deutlich, dass er ein Hörender war. Dass das Schweigen eine notwendige Voraussetzung für das Hören ist, ist leicht nachvollziehbar. Aber ist das Schweigen auch Voraussetzung für das Sprechen? Darüber hat Ferdinand Ulrich viel und tief nachgedacht. In seinem Vortrag „Wort und Schweigen“ bringt er es ins Wort.

Ulrich beschreibt zunächst die Versuchung, das Schweigen im Dialog negativ zu bewerten und es deshalb zu vermeiden: „Wo das Wort aufhört, so könnte man meinen, dort fange das Schweigen an. Schweigen hat dann mit dem Wort nichts zu tun; es sei das Fehlen des Wortes, das Nicht-sein des Wortes; eine Grenze, die man erfährt, wenn man nichts mehr zu sagen hat, wenn der Gesprächsstoff ausgeht; die leere Wortlosigkeit, die befremdende Stille, die aufbricht, wenn die Rede an ihr Ende gekommen und ‚erschöpft‘ ist. Man möchte gerne weiter sprechen, hat aber nichts mehr zu schenken. Dieses ‚Schweigen‘ wird nicht ernst genommen; jeder der Gesprächspartner sucht krampfhaft nach neuem Material; das Schweigen stört, man will die drückende Leere ausfüllen, die sich ergebende Pause möglichst schnell überbrücken. Was sich zwischen die abgebrochene Rede und ihre nachfolgende Fortsetzung schiebt, wird negativ, als ein bloßer Mangel qualifiziert, der aufgehoben werden soll. So zielt alles darauf hin ab, daß die Rede, das Gespräch weiterlaufe…“

In seinem Vortrag erschließt er den Zuhörern jedoch eine positive Bewertung des Schweigens, ja sogar die Notwendigkeit des Schweigens für gelingendes Sprechen. Schweigen, nicht als Pause vom Reden gedacht, sondern als Möglichkeit, ganz bei seinem sprechenden Gegenüber zu sein. Im Hören wirklich ganz beim Anderen zu sein, setze jedoch voraus, seine eigenen Gedanken dabei loszulassen und „arm“ zu werden. Die „Armut“ eines solchen Schweigens ermögliche die „Geburt des Wortes“ und somit die „fruchtbare Selbstmitteilung“ des Anderen.

Um diese hier sehr kurz angerissenen Gedanken vertiefen zu können, ist das vollständige Manuskript von Ferdinand Ulrich online zugänglich. Ulrich verfasste dieses Manuskript für einen Vortrag beim Katholischen Bildungswerk Stuttgart am 1. Dezember 1966. Es ist über das Online-Repertorium sowie über diesen direkten Link zu finden:

Vollständiges Manuskript „Wort und Schweigen“

Sterbebild von Ferdinand Ulrich, Quelle: Digitales Archiv im Ferdinand-Ulrich-Archiv